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Textabruf in Computerlernprogrammen

Sprache lernen im Vorübergehen! Lernposter

Klaus Stiller und Gergely Mate
Frei selektierbarer vs. Linear vorgegebener Textabruf in Computerlernprogrammen

1. Freie Selektion vs. linearer Abruf von Texten
Die Interaktionsmöglichkeiten weisen ein psychologisch signifikantes Merkmal auf, womit der Begriff Interaktion die Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten bezeichnet. Erwartet wird bei der freien Auswahl in einem Lernprogramm gegenüber einer vorgegebenen Abfolge, die Motivation, der Lernenden zu steigern (vgl. Stiller & Mate 2003, S.44).
Der Einfluss von Bildern bei der Verarbeitung eines frei selektierbaren Informationsabrufs soll das Behalten und Verstehen für die Lernenden verbessern. Durch eine bildhafte Darstellung eines Textes gewinnt der Text an Wichtigkeit und bildet zusätzlich Zusammenhänge zwischen Text- und Bildinformationen. Mit unterschiedlichen Strategien fördert man das Verstehen verschiedener Bereiche, wie zum Beispiel die Organisationsstrategie das Verstehen von Organisationsprozessen bzgl. der Textinformation verbessert. Jedoch ist Eiwan (1998) aufgrund einer Datenanalyse bezüglich der Zeit und des Abrufs zu der Erkenntnis gekommen, dass der freie Textabruf die Lernenden zu überblicksartiger Betrachtung verführt, wohingegen beim linearen Abruf eine intensivere Bearbeitung der Themen stattfindet (vgl. Stiller & Mate 2003, S.44).
Die Stellungnahme, dass frei selektierbare Informationen einen höheren Lerneffekt aufweisen, ist auf die Informationsverarbeitung der kognitiven Psychologie zurückzuführen. Diese geht von einer Erleichterung des Lernens mittels Integration neuer Informationen in vorhandene Repräsentationen aus. Eine Studie von Eiwan bezüglich des Vor- und Zurück- Buttons in linearen und anklickbaren Bildteilen ergab keinerlei Unterschiede (vgl. Stiller & Mate 2003, S.44f).
2. Hypothesen
Die erste Hypothese zeigt einen zeitlichen Vergleich von zwei Lerngruppen, wobei die Anwendung von bildbezogenen Strategien einen höheren Einsatz anstatt mit einem linear vorgegebenen Textabruf zeigt. In der zweiten Hypothese wird die Effektivität mittels Probanden betrachtet. Das Ergebnis der Probanden, welche mit frei über Bilder selektierbarem Textabrufe lernen, zeigt eine höhere Bearbeitung von Glossartexten, wohingegen beim Lernen von linearem Textabruf eine höhere Bearbeitung von Einleitungen, Zusammenfassungen und Detailtexten aufweist. Die dritte Hypothese spiegelt die längere Bearbeitung von Detail- und Glossartexten bei Probanden wieder, welche mit frei über Bilder selektierbarem Textabrufe lernen. Stattdessen wird beim Lernen mittels linearen Textabrufs eine Längere Bearbeitung von Einleitungen und Zusammenfassungen erzielt. In der vierten Hypothese wird der Aufmerksamkeitsunterschied zwischen Textwissen und der Aufmerksamkeitslenkung auf die Bilder verglichen. Nicht sehr überraschend weist die lineare Lerngruppe ein besseres Ergebnis im Textwissen und die frei selektive Lerngruppe ein höheres Resultat bei der Bilderbeschriftung auf. Dieses Ergebnis ist auf die jeweilige Abrufmodi und der Nutzungsweise der Programme zurückzuführen. Zuletzt wird in der Hypothese fünf  die Akzeptanzskalen Verständlichkeit, Nützlichkeit und Attraktivität der frei selektierbare Textabruf höher eingestuft als der lineare Abruf (vgl. Stiller & Mate 2003, S.46f). Im folgenden Kapitel werden stichprobenartige Tests bezüglich der verschiedenen Lernmethoden durchgeführt und ausgewertet.
3. Methoden und Ergebnisse
Schüler füllten einen Fragebogen aus, worin eine Erfassung der demografischen Variablen, des Interesses am Thema und Vorwissens stattfanden. Anschließend erfolgte eine Aufteilung in Gruppen, welche mit einem linear oder frei steuerbaren Computerprogramm sich einen Test unterzogen (vgl. Stiller & Mate 2003, S.47). „Mit dem Test sollen Behalten und Verstehen der Informationen sowie deren Anwendung überprüft werden“ (Stiller & Mate 2003, S.49). Das Ergebnis zeigte signifikante Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Lerngruppen auf. Die frei über Bilder selektierenden Schüler weisen einen höheren Strategieeinsatz als die linear selektierte Lerngruppe auf. Stattdessen wurden in der linearen Gruppe mehr Einleitungen und Zusammenfassungen bearbeitet, wobei mehr Detailtexte und weniger Glossareinträge abgerufen werden. Weiters wurde die vierte Hypothese, welche den Unterschied des Verstehens von Textwissen und Bildererklärung erklärt, in dieser Analyse bestätigt (vgl. Stiller & Mate 2003, S.50).
Ein linearer Textabruf wird dann vorgezogen, wenn verstärkt auf Textwissen, also Einleitung und Zusammenfassung, wert gelegt wird. Der frei selektierbare Abruf ist bei einer Gleichvereilung der Aufmerksamkeit auf alle Texte, worin die Informationen von den Bildern signifikante Wichtigkeit aufweisen, zu bevorzugen (vgl. Stiller & Mate 2003, S.53). „Aus didaktischen Gründen könnte eine Mischform die Lösung bieten, indem eine freie Selektion nur für die Detailtexte gilt, Einleitung und Zusammenfassung aber vorgegeben am Anfang und Ende präsentiert werden“ (Stiller & Mate 2003, S.53).

Verwendete Literatur
Stiller, K. & Mate, G. (2003). Selektierbar vs. vorgegebener Textabruf. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie. 17, 43-54.



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