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Wann soll man beim Lernen eine Pause machen?

Sprache lernen im Vorübergehen! Lernposter

Man muss dem Inneren die entspannte Ruhe zugestehen,
auch wenn man überzeugt ist, die Zeit im Nichtstun zu verlieren.
Johannes vom Kreuz

Der menschliche Körper benötigt neben dem Nachtschlaf auch über den Tag verteilt immer wieder Pausen, um zu Kräften zu kommen. Besonders wichtig ist dies während des Lernens, da das Gehirn unter dauerhafter Beanspruchung immer weniger leistungsfähig wird. Wie oft sollte man beim Lernen eine Pause einlegen? Signale dafür, dass der Körper eine Pause braucht, können sein:

  • das Verlangen, sich zu strecken und die Muskeln zu entspannen
  • Gähnen oder Seufzen
  • Appetit auf einen kleinen Imbiss oder etwas zum Trinken
  • das Bedürfnis, zur Toilette zu gehen
  • Abschweifen der Gedanken.

Werden diese Hinweise nicht beachtet, schüttet der Körper bestimmte Stoffe aus, die es kurze Zeit noch ermöglichen, auch ohne Pause weiterzuarbeiten. Die Folge davon sind allerdings Stress, mit dem ein Abbau der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit einhergeht.

Wichtig ist auch die Dauer der Pause, denn ist sie zu kurz, ist man danach nicht erholt, ist sie aber zu lang, ist man nach der Pause aus dem Lernrhythmus draußen und hat keine rechte Lust mehr weiterzuarbeiten. Konkrete Angaben zur Pausenlänge sind nicht sehr sinnvoll, denn diese hängt von sehr vielen unterschiedlichen Faktoren ab – das Beste ist, man beobachtet sich selber genau und achtet auf die Signale, die einem der Körper sendet, wenn er bereit ist, weiter zu machen, also die entsprechenden Signale seines Körpers beobachtet, sodass sich ein individueller Rhythmus von Arbeit und Pausen einpendelt.

Albulescu et al. (2022) haben in einer Überblicksarbeit die Wirksamkeit von Mikropausen in Bezug auf die Verbesserung des Wohlbefindens (Vitalität und Ermüdung) und der Leistung abzuschätzen und zu ermitteln versucht, aber auch, unter welchen Bedingungen und für wen die Mikropausen am wirksamsten sind. Dabei wurde vorhandene Daten aus experimentellen und quasi-experimentellen Studien zusammengetragen, wobei sich statistisch signifikante, aber geringe Auswirkungen von Mikropausen auf die Steigerung der Vitalität, eine Verringerung der Müdigkeit und eine nicht signifikante Wirkung auf die Steigerung der Gesamtleistung zeigten. Signifikante Effekte konnten nur für Aufgaben mit geringeren kognitiven Anforderungen gefunden werden, wobei die Leistungssteigerung umso größer war, je länger die Pause war. Insgesamt sprechen die Daten für die Bedeutung von Mikropausen für das Wohlbefinden, während für die Erholung von sehr anstrengenden Aufgaben möglicherweise mehr als zehnminütige Pausen erforderlich sind. Zusammengefasst dienen ganz kurze Pausen offenbar nicht der Erholung, sondern der Vorbeugung von Übermüdung, wobei diese eher früher als zu spät genommen bzw. auch individuell angepasst werden sollten. (

In den Pausen sollte man auf weitere Kopfarbeit verzichten, also sind Zeitunglesen, Computerspiele der Fernsehen nicht geeignet. Sinnvoll sind alle Tätigkeiten, die mit einer körperlichen Bewegung zu tun haben, also einen kurzen Spaziergang machen, das Arbeitszimmer durchzulüften und ein paar Turnübungen machen.


Nichts bringt uns auf unserem Weg besser voran als eine Pause.
Elizabeth Barrett Browning

Neurochemische Forschungen bestätigen den Sinn von Pausen

Bekanntlich lernen Menschen am effektivsten, wenn sie sich Lerninhalte in kleinen Einheiten einprägen, die von Pausen unterbrochen werden.  Nach neuesten Erkenntnissen könnten biochemische Prozesse im Gehirn dafür verantwortlich sein. Wenn das Gehirn neue Informationen aufnimmt, werden im Gehirn zahlreiche Botenstoffe ausgeschüttet, welche die Aktivität bestimmter Gehirnareale und deren Beziehungen  beeinflussen. Die Proteinkinase A wird dabei sehr rasch aktiviert und bleibt für etwa fünfzehn Minuten aktiv, eine weitere extrazellulär regulierte Kinase reagiert aber langsamer und erreicht erst fünfundvierzig Minuten die volle Wirkung. In Untersuchungen an Meeresschnecken (Zhang et al., 2011) zeigte sich, dass der Erfolg der geübten Inhalte immer dann besonders groß war, wenn beide Enzyme gleichzeitig aktiv sind, wobei eine Folge mit ungleichmäßig langen Pausen besonders effektiv war. Bei den Versuchen war eine Sequenz am wirkungsvollsten, bei dem das Lernen der Tiere erst durch zwei zehnminütige Unterbrechungen, dann durch eine fünf und eine dreißig minütige Pause unterbrochen wurden, was ein Widerspruch zu den meist auf Grund von Erfahrung gewonnenen Lernabläufen mit festen Pausenzeiten darstellt. Es muss aber berücksichtigt werden, dass diese Ergebnisse wohl nur bedingt auf den Menschen übertragbar sind.

Schon 1885 hatte Hermann Ebbinghaus bewiesen, dass bei gleicher Lernzeit mehr im Gedächtnis bleibt, wenn man zwischendurch Pausen macht, doch das gilt auch für Mäuse, wie neueste Untersuchungen zeigen. Es zeigte sich nämlich, dass durch das Training ohne Pausen die Synapsen sich langsamer veränderten, und diese Veränderungen auch nicht so lange anhielten, als wenn die Tiere beim Lernen Pausen machten. Der Vorteil von Lernpausen liegt also offenbar darin, dass die Nervenzellen ihre Verbindungen schneller anpassen und strukturelle Veränderungen länger währen, wobei etwa eine Stunde Ruhe bei Mäusen das Optimum war. Es zeigte sich auch, dass Lernpausen Nervenzellenveränderungen beschleunigen und dauerhafter machen.

Der Erwerb neuartiger motorischer Fähigkeiten ist ein grundlegender Prozess des lebenslangen Lernens und entscheidend für das tägliche Verhalten. Die durch Training erzielten Leistungssteigerungen werden von einem zunächst labilen Zustand in einen Zustand überführt, der immer robuster gegenüber Störungen ist, ein Phänomen, das als motorische Konsolidierung bezeichnet wird. Frühere Arbeiten haben gezeigt, dass der primäre motorische Cortex eine neuronale Schlüsselregion für die motorische Konsolidierung ist. Rumpf et al. (2019) haben nun gezeigt, dass neu gelernte motorische Abläufe (Eintippen von Zahlenfolgen auf einer Tastatur) sich nicht nur während des akti­ven Übens verfestigen, sondern auch in den Pausen danach, wobei schon kurze Unterbrechungen während eines Trainings zur Verfestigung dieser Abläufe beitragen. Es zeigte sich auch, dass dieser Vorgang zusätzlich mit einer magnetischen Stimulation der motorischen Hirnrinde noch verbessert werden kann. Dadurch konnten die Probanden die erwor­be­nen Abläufe der Übungseinheit effektiver verarbeiten und eine stabilere Gedächtnisspur anlegen.

Pausen fördern das Einprägen im Gehirn

Glas et al. (2020) haben den Effekt des verteilten Lernens mit kleinen und großen Pausen bei Mäusen untersucht und sind dabei der Frage nachgegangen, was beim Spacing-Effekt im Gehirn passiert und warum gerade Lernpausen so förderlich für das Erinnerungsvermögen sind. In den Experimenten sollten Mäuse sich in einem Labyrinth die Position eines versteckten Schokoladestücks merken. Die Mäuse erhielten dreimal hintereinander die Möglichkeit das Labyrinth zu erkunden und ihre Belohnung zu finden, einschließlich Pausen unterschiedlicher Länge. Mäuse, die mit längeren Pausen zwischen den Lernphasen trainiert wurden, konnten sich die Position der Schokolade nicht so schnell merken, doch am nächsten Tag war das Erinnerungsvermögen der Mäuse umso besser, je länger die Pausen am Vortag gewesen waren. Während des Labyrinth-Tests maß man zusätzlich die Nervenzellaktivität im präfrontalen Cortex, also in jener Gehirnregion, die für Lernvorgänge von besonderem Interesse ist, da sie für ihre Rolle bei komplexen Denkaufgaben bekannt ist. So konnte man auch zeigen, dass eine Inaktivierung des präfrontalen Cortex die Gedächtnisleistung der Mäuse beeinträchtigte. Folgten drei Lernphasen kurz aufeinander, würde man intuitiv erwarten, dass dieselben Nervenzellen aktiviert werden, denn schließlich handelt es sich ja um das gleiche Experiment mit der gleichen Information. Nach einer langen Pause wäre es hingegen logisch, dass das Gehirn die anschließende Lernphase als neues Ereignis interpretiert und mit anderen Nervenzellen verarbeitet. Als man aber die Nervenzellaktivitäten in den unterschiedlichen Lernphasen verglich, stellte man allerdings genau das Gegenteil fest, denn bei kurzen Pausen schwankte das Aktivierungsmuster im Gehirn mehr albei zu langen Pausen, d. h., in schnell aufeinanderfolgenden Lernphasen aktivierten die Mäuse meist unterschiedliche Nervenzellen. Nach längeren Pausen wurden dagegen die Nervenzellen der ersten Lernphase auch später wieder genutzt. Indem das Gehirn auf dieselben Nervenzellen zurückgreift, kann es womöglich die Verknüpfungen zwischen diesen in jeder Lernphase stärken, d. h., die Kontakte müssen nicht erst von Grund auf neu aufgebaut werden. Das könnte die Erklärung dafür sein, warum das Erinnerungsvermögen von langen Pausen profitiert.



Literatur

Albulescu, Patricia, Macsinga, Irina, Rusu, Andrei, Sulea, Coralia, Bodnaru, Alexandra & Tulbure, Bogdan T. (2022). „Give me a break!“ A systematic review and meta-analysis on the efficacy of micro-breaks for increasing well-being and performance. Public Library of Science, 17, doi:10.1371/journal.pone.0272460.
Aziz, Wajeeha, Wang, Wen, Kesaf, Sebnem, Mohamed, Alsayed Abdelhamid , Fukazawa, Yugo & Shigemoto, Ryuichi (2013). Distinct kinetics of synaptic structural plasticity, memory formation, and memory decay in massed and spaced learning. PNAS 2013 ; published ahead of print December 23, 2013, doi:10.1073/pnas.1303317110.
Glas, Annet, Hübener, Mark, Bonhoeffer, Tobias & Goltstein, Pieter M. (2020). Spaced training enhances memory and prefrontal ensemble stability in mice. Current Biology, /doi:10.1101/2020.12.17.417451.
Rumpf, Jost-Julian, May, Luca, Fricke, Christopher, Classen, Joseph & Hartwigsen, Gesa (2019). Interleaving Motor Sequence Training With High-Frequency Repetitive Transcranial Magnetic Stimulation Facilitates Consolidation. Cerebral cortex, doi:10.1093/cercor/bhz145
Zhang, Yili,  et al. (2011). Computational design of enhanced learning protocols. Nature Neuroscience; doi: 10.1038/nn.2990)

2 Gedanken zu „Wann soll man beim Lernen eine Pause machen?“

  1. Diese „Weisheit“ sind vielfach überprüfte Forschungsergebnisse zur Funktion des menschlichen Gedächtnisses – angefangen vom Prozess des Vergessens (seit Ebbinghaus!) und zur Struktur des Gedächtnisses, etwa des Chunking – alles nachzulesen u. a. hier in den Arbeitsblättern: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEDAECHTNIS/ModelleSpeicher.shtml
    Die meisten Forschungsarbeiten zu dem Thema sind weit über 50 Jahre alt und einige sogar an die 100 Jahre und mehr.

  2. Sie schreiben im Text zur Neurochemischen Forschung am Anfang folgendes:

    „Bekanntlich lernen Menschen am effektivsten, wenn sie sich Lerninhalte in kleinen Einheiten einprägen, die von Pausen unterbrochen werden.“

    Haben Sie dazu entsprechende Literatur / Studien? Das Thema interessiert mich sehr und dieser Allgemeinplatz ist überall zu finden – Studien, die dies untermauern jedoch nicht.
    Der weitere Verlauf des kurzen Artikels ist ja durch die unten angegeben Literatur abgedeckt, aber dieser Einstiegssatz, der ja eine immer wieder gehörte „Weisheit“ enthält nicht. Das würde mich sehr interessieren, ob Sie dazu wissenschaftliche Quellen kennen.
    Gruß
    Andreas Busch

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