Inhaltsverzeichnis
Ein wichtiger Aspekt der neuen Reifeprüfung ist die Erstellung einer vorwissenschaftlichen Arbeit. Jeder Schüler muss in Zukunft bereits am Ende der siebten Klasse in Absprache mit seinem Lehrer das Thema einer vorwissenschaftlichen Arbeit für seine Reifeprüfung wählen. In einem Fach seiner Wahl muss der Schüler diese Arbeit während der achten Klasse vor dem Reifeprüfungstermin erarbeiten und somit seine Fähigkeit zum eigenständigen wissenschaftlichen Arbeiten und seine Studienfähigkeit unter Beweis stellen.
Zum Verfassen der vorwissenschaftlichen Arbeit ist eine Reihe von Kompetenzen notwendig, auf deren Erwerb der Unterricht der Oberstufe ausgerichtet sein muss und die unter dem Begriff Informationskompetenz subsumiert werden: bezogen auf ein spezifisches Interesse eine Forschungsfrage formulieren zu können, den daraus resultierenden Informationsbedarf zu erkennen, Informationen zu ermitteln und zu beschaffen sowie Informationen zu bewerten und effektiv zu nutzen.
Die fertige Arbeit wird dann im Rahmen der Reifeprüfung – ähnlich wie bei Prüfungen auf der Universität – vom Schüler mündlich präsentiert. Vom Umfang her wird die Vorwissenschaftliche Arbeit zwischen 4500 und 6000 Worten, also eine Länge von 15 bis 17 Seiten umfassen, wobei jede Lehrkraft höchstens fünf Arbeiten betreuen soll. Die künftige schriftliche Prüfung besteht dann aus den Fächern Deutsch, Mathematik und einer lebenden Fremdsprache und als viertes Prüfungsfach kann Darstellende Geometrie, Chemie, Physik, Biologie oder eine weitere Fremdsprache gewählt werden.
In der Neukonzeption der Reifeprüfungsbestimmungen für allgemein bildende höhere Schulen in Österreich trägt man mit den drei voneinander unabhängigen Säulen (verpflichtende vorwissenschaftliche Arbeit mit Präsentation, standardisierte schriftliche Klausurprüfung, standortbezogene mündliche Prüfung) auch den Anforderungen nach Erhöhung der Studierfähigkeit, Standardisierung und Kompetenzorientierung sowie der Wahrung von standortbezogenen Spezifizierungen und schulautonomen Profilbildungen Rechnung.
Die vorwissenschaftliche Arbeit vereint die positiven Erfahrungen aus den Bereichen der Fachbereichsarbeit sowie der Spezialfrage und trägt den individuellen Interessen der Schülerinnen und Schüler sowie schulspezifischen Elementen und schulautonomen pädagogischen Schwerpunkten Rechnung. Sie soll eine eigenständige, außerhalb der Unterrichtszeit erstellte Arbeit sein, welche die Studierfähigkeit der Absolventinnen und Absolventen unter Beweis stellt. Die bei der Präsentation nachgewiesene Präsentationskompetenz sowie die Ausdrucks- und Diskursfähigkeit sind Teil der vorwissenschaftlichen Arbeit („1. Säule“) und in deren Beurteilung einzubeziehen.
Dieses Modell nimmt grundsätzlich Rücksicht auf die gesetzlichen Sonderformen der AHS und auf die autonomen Schwerpunkte. Besucht ein/e Schüler/in eine AHS-Sonderform oder einen solchen Schwerpunkt, muss dieser im Rahmen der Reifeprüfung abgebildet werden. Die an den Standorten autonom entwickelten, laut Lehrplan der AHS mit mindestens 8 Wochenstunden ausgestatteten Schwerpunkte sind somit entweder bei der „Vorwissenschaftlichen Arbeit“ oder bei den Klausurprüfungen (als „4. Klausur“) oder den „Mündlichen Prüfungen“ von den Schüler/innen bei ihrer Prüfungswahl zu berücksichtigen . Die Aufgabenstellungen für diese „4. Klausur“ (wenn sie eine „Schwerpunktklausur“ ist – zB Informatik) werden allerdings am jeweiligen Standort erstellt.
Details zur „Vorwissenschaftlichen Arbeit“ mit Präsentation
Ziele der VWA und ihrer Präsentation sind
- angemessene Themenstellung
- Selbstständigkeit
- Ursachen und Zusammenhänge aufzeigen
- Arbeit mit Quellen und (vor)wissenschaftlichen Methoden
- Logisches und kritisches Denken
- Klare Begriffsbildung
- Sinnvolle Fragestellungen
- Ausdrucks- Diskursfähigkeit
Details
- Festlegung auf das Thema: Ende der vorletzten Schulstufe (Im Verlauf der vorletzten Schulstufe sollte zB eine Unverbindliche Übung „Vorwissenschaftliches Arbeiten“ angeboten werden; Zweck: Schülerinnen und Schüler erwerben bzw. schärfen die nötigen Kompetenzen);
Das Thema der VWA wird im Einvernehmen zwischen Prüfer/in und Schüler/in festgelegt und nachweislich durch die Schulleitung approbiert - Lehrer/in kann ein Thema ablehnen, nicht aber den/die Schüler/in
- Teamarbeit ist unter genau zu definierenden Voraussetzungen möglich: Eine Aufgabenstellung kann von höchstens drei Prüfungskandidat/innen bearbeitet werden, wobei die Themenbereiche so weit abgegrenzt werden müssen, dass die eigenständige Leistung eines jeden einzelnen Prüfungskandidaten klar erkennbar und beurteilbar ist, daher:
- Themenstellung mit Untertitel und Abstract in einer Fremdsprache („Erwartungshorizont“)
- Die VWA ist nicht einem Unterrichtsgegenstand zugeordnet.
- Der Prüfer muss sachkompetent, aber nicht der Fachlehrer sein
- Die Zahl der VWA pro Prüfer wird nicht festgelegt und ist an der Schule zu regeln. Es besteht für die Schüler/innen eine freie Wahl der Prüfer/innen.
- (Gemeinsames, verpflichtendes) Gespräch zwischen Lehrkraft und Schüler/innen zu Beginn der VWA (Allgemeines, Organisatorisches, „Spielregeln“, Intention, Konsequenzen bei Verwendung unerlaubter Hilfsmittel,…)
- 2 bis 3 weitere Orientierungsgespräche während der Erstellung der VWA (= Einzelgespräche!) zw. Lehrer/in und Schüler/in verpflichtend, bei denen die Lehrkraft den Fortschritt/Prozess beobachtet und protokolliert : Lehrer/innen erhalten einen Protokollbogen, in dem die Fortschritte im Lernprozess festgehalten werden
- (Begleitendes) Protokoll für Schüler/innen verpflichtend, in dem eigene Fortschritte dokumentiert werden
- Abgabe der VWA (inkl. Begleitprotokoll): Ende des ersten Semesters
- Negative bzw. nicht beurteilte VWA muss wiederholt werden (Nebentermin)
- Umfang: Korridor 4500-6000 Worte, (exklusive Inhalts-, Literatur- und Bilderverzeichnis; entspricht 15-20 Seiten à ca. 300 Worte/Seite)
- Vorlage: digital und 2 ausgedruckte Exemplare
- Die Schulbehörde 1. Instanz legt den Termin für die Präsentation der VWA fest. Die Dauer beträgt ca. 10 Minuten und soll ein Problemaufriss, jedoch nicht bloß eine Inhaltsangabe sein. Der/Die Kandidatin soll dabei seine/ihre Diskursfähigkeit, die initiative Mitgestaltung des Gespräches, seine/ihre Argumentationsfähigkeit etc. unter Beweis stellen.
- Bei der Präsentation einer Arbeit in der Fremdsprache geschieht das in der Fremdsprache, die Kommission kann aber Zwischenfragen auf Deutsch stellen.
Beurteilung
- Die Lehrkraft beschreibt in einem „Gutachten“ die Vorzüge und Schwächen der schriftlichen Arbeit.
- Die Gesamtbeurteilung wird nach der Präsentation festgelegt.
- Eine positiv beurteilte VWA (mit Präsentation) soll erhalten bleiben, auch wenn die Abschlussklasse wiederholt werden muss.
Nützliche Internetseiten zur Erstellung einer vorwissenschaftlichen Arbeit
- Die Angst des Redners vor dem Publikum
- Management für die Schule?
- „Ja mach nur einen Plan …“
- Erinnerungspläne – Mind Maps
- Zeitmanagement
- Was tun bei Schreibblockaden?
- Die Fünf-Schritte-Methode für das Bearbeiten von wissenschaftlicher Fachliteratur
- Umgang mit schwierigen Texten
- Formen des Lesens von wissenschaftlicher Literatur
- Lerntagebücher und Weblogs als Werkzeuge für selbstorganisiertes Lernen
- Das schriftliche Referat
- Das Referat: Die Konzeption
- Formale Hinweise
- Quellennachweise
- Hinweise zum wissenschaftlichen Schreibe
- Das Referat: Die Präsentation
- Präsentations- und Vortragstechnik: Medieneinsatz
- Präsentations- und Vortragstechnik: Rhetorik
- Präsentations- und Vortragstechnik: Rhetoriktraining
Kritik an der vorwissenschaftlichen Arbeit
Nach einigen Jahren der Erfahrung mit der vorwissenschaftlichen Arbeit üben Elternvertreter 2017 Kritik, dass bei bis zu einem Drittel der Arbeiten von Dritten geholfen wird, wobei entweder Mütter und Väter oder sogar Ghostwriter eingesetzt werden. Viele Schülerinnen und Schüler sind mit der vorwissenschaftlichen Arbeit überfordert, weshalb eine erkleckliche Anzahl davon nicht von SchülerInnen alleine gemacht werden. Oft werden zu hohen Ansprüche gestellt und die Betreuung durch die Lehrer fällt sehr unterschiedlich aus. Vor allem die formalen Regeln werden kritisiert, sodass etwa die Regelungen zum Zitieren genauso streng wie an der Universität gehandhabt werden. Nach Ansicht des Bildungswissenschaftlers Stefan Hopmann beziehen sich bei der Bewertung sieben von acht Kriterien auf den Prozess und die Verpackung und nicht auf den Inhalt, d. h., es geht hauptsächlich darum, etwas unbeschadet des Inhalts wissenschaftlich aussehen zu lassen. Es geht also vorwiegend darum, ein möglichst schönes Dokument zu erstellen und weniger darum, sich kreativ und eigenständig mit einem Thema auseinanderzusetzen.
Schon 2016 erwies sich die vorwissenschaftliche Arbeit als größter Stolperstein für die Maturanten, denn von den 530 Schülern, die in Österreich an der Matura scheiterten, wurde bei rund 350 auch diese negativ bewertet. Rund 300 Maturanten hatten die Arbeit erst gar nicht abgegeben, wobei diese Schüler zwar zur Matura antreten können, aber sie müssen, bevor sie die Reifeprüfung bestehen, eine neue VWA abliefern.
Literatur
Liebscher, Marlies, Edgar Mayrhofer, Jürgen Rathmayr, Elisabeth Schallenberg, Werner Schöggl, Adelheid Schreilechner, Karin Tscherne u. Friederike Zillner: 1. Säule: „Vorwissenschaftliche Arbeit“. Eine Handreichung. Standardisierte, kompetenzorientierte Reifeprüfung an AHS. Schuljahr 2013/2014. Wien: BMUKK 2011. Verfügbar unter http://www.bmukk.gv.at/medienpool/22700/reifepruefung_ahs_lfvwa.pdf
http://www.bmukk.gv.at/schulen/unterricht/ba/reifepruefung.xml (09-09-09)
http://www.nachrichten.at/nachrichten/chronik/Zentralmatura-Oberoesterreicher-schnitten-in-Mathematik-am-besten-ab;art58,2201432 (16-12-12)
http://diepresse.com/home/Bildung/Schule/5172784/ (17-02-21)
Hallo und danke für den nützlichen Artikel. Genau das habe ich gesucht.