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Was ist entdeckendes Lernen?

Sprache lernen im Vorübergehen! Lernposter

Entdeckendes Lernen ist keine eindeutig definierbare Lehr-/Lernform, sondern umfasst ein Lernverständnis, das Lernen nicht als passive, reaktive Aufnahme von Wissen, sondern als aktive Konstruktion begreift. Diese Orientierung erfordert eine zunehmende Selbstständigkeit des Lernenden, wobei flexible Lernzeiten und anregende problemhaltige Lernumgebungen mögliche Ausgangpunkte für eine experimentelle, erforschende, gestaltende bzw. konstruierende Auseinandersetzung mit Lerngegenständen bereitstellen. Das entdeckende Lernen kann daher auch nicht in ein festes Zeitschema eingeteilt werden, denn die Ziele, die die Lernenden erreichen sollen, müssen zuerst entdeckt und eigenständig geklärt werden. Das ist u. U. sehr zeitaufwändig und es ist nicht leicht zu planen, wie lange der einzelne Lernende für einen solchen Prozess benötigt. Vorbereitende Aspekte sollten hierbei sein, dass Neugier, Selbstständigkeit und Motivation geweckt werden und die Lernenden eigenständig Aufgaben erkennen und bewältigen, wobei auf die individuellen Fähigkeiten und Merkmale der Lernenden eingegangen werden muss. Man kann grob vier Formen des entdeckenden Lernens im Unterricht unterscheiden:

Entdecken als explorative Tätigkeit im Sinne eines aktiven Erfindens eines subjektiv bislang noch nicht vertrauten Sachverhalts mit oder ohne Anleitung. Wer etwas entdeckt, kann das auf Grund unterschiedlicher Tätigkeiten tun: beobachten und gestalten, bauen und erfinden, analysieren und experimentieren, komponieren und arrangieren, intervenieren und kommunizieren. Im einen Fall geht es darum, einen kognitiven Konflikt zu lösen. Beim anderen geht es um einen schöpferischen Akt, um eine technische Konstruktion oder die Entwicklung eigener Talente beim Erforschen eines Objektes. Besonders in den explorativen Phasen entdeckenden Lernens ist neben der Aktivierung von Vorwissen der Einsatz von intuitivem Denken wichtig, um während des Forschens die nächsten Arbeitsschritte ratend zu ermitteln. Dabei auftretende Irrtümer müssen analysiert und korrigiert werden, was zwar den Zeitbedarf erhöht, aber Teil des umfassenden Lösungsprozesses ist. Eine sprachliche Formulierung der Gedanken sowie Diskussionen mit LehrerInnen und MitschülerInnen können eine Überprüfung des Lernfortschrittes unterstützen und eigene kognitive Konzepte um andere Sichtweisen auf ein Problem bereichern. Durch den eher bildhaften und einfallsartigen Charakter kann intuitives Denken, von einzelnen Erfahrungen ausgehend, zum Verständnis des Lernstoffes beitragen und helfen, das Wesentliche an einem Problem schnell zu erfassen. Die Intuition stellt damit eine wichtige Erkenntnisquelle entdeckenden Lernens dar und ist ein wesentliches Merkmal des produktiven Denkens und Problemlösens.

Entdecken als reflexive Tätigkeit, wobei hier die Einbindung des Herausgefundenen in die Wissensstruktur des Schülers betont wird. Dabei ist die richtungslose Beschäftigung mit einem Gegenstand nicht aus sich heraus bildend. Hier geht es daram, Phämomene zubeobachten, Neuem zu begegnen und das Entdeckte zu interpretieren, etwa im Sinne einer kognitiven Modellbildung auch komplementärer Sichtweisen im Entdeckungsprozess, also konkret handeln etwas zu tun, um hinzuzulernen.

Entdecken als konstruktive Tätigkeit, womit neben dem Erkunden und Nachdenken das Gestalten bzw. Herstellen von Phämomenen, etwa ein Spiel, ein Werkstück oder ein Musikstück angesprochen wird. Aus konstruktivistischer Sicht gibt es keine objektive Realität, da sich jedes Individuum seine Erkenntnisse selbst konstruiert. Im Zuge eines Lernprozesses findet demnach ein individueller Wissensaufbau statt, für dessen Verlauf auch das aktivierte Vorwissen von entscheidender Bedeutung ist. Des Weiteren spielen situativen Gegebenheiten sowie motivationale Elemente und die Persönlichkeitsstruktur des Lernenden eine wichtige Rolle für die Anwendbarkeit gelernter Wissensstrukturen zur Lösung neuer Problemstellungen, also dem Lern- oder Wissenstransfer.

Entdecken als formative Tätigkeit, wobei sich der Lerndende durch formative Tätigkeit einen Plan zurechtlegen muss, nach dem er etwas gestaltet oder herausfindet. Dieser Plan ist eine individuelle Heuristik, die über Entdeckungsziele und -gegenstände, über Methoden und Deutungsregeln entscheidet. Im Zentrum des entdeckenden Lernens stehen daher an der Heuristik menschlichen Denkens orientierte Erkenntnisprozesse, die durch aktives Suchen, Probieren und Explorieren geleitet und gefördert werden können. Im Rahmen eines konzeptgeleiteten Denkprozesses werden die vorhandenen kognitiven Konzepte aktiviert, neue entwickelt und schließlich in die vorhandenen Strukturen integriert. Anwendung findet entdeckendes Lernen im Rahmen konstruktiven Problemlösens, bei dem die Lernenden die Freiheit haben sollen, Lösungswege und -strategien frei zu wählen.

Die zentralen Merkmale des entdeckenden Lernens sind dabei:

Transferförderung – Induktion: Das Kind geht mit gelerntem Wissen induktiv um, das heißt, es sucht nach jeder neu gelernten Wissenseinheit nach Gemeinsamkeiten in seiner schon vorhandenen Wissensstruktur und formuliert daraufhin Regeln, um sich bestimmte Gemeinsamkeiten erklären zu können. Je mehr Einzelfälle er kennenlernt, umso präziser werden seine Regeln, so dass er nach einer gewissen Weile in der Lage ist, auf der Basis seiner Regeln ungewisse Faktoren vorherzubestimmen. Im Rahmen des Unterrichts sollten jene Fähigkeiten gelehrt werden, die es den Lernenden ermöglichen, ihr Wissen durch eigene Aktivitäten aufzubauen und zur Erweiterung ihrer Kenntnisse einzusetzen. Dadurch kann die Bildung von trägem Wissen, das in realen Alltagssituationen nicht zur Anwendung kommen kann, vermieden und die Entwicklung einer Problemlösekompetenz gefördert werden. Zu dieser gehört die Fähigkeit, die Lösung einer Fragestellung selbstständig anzugehen. Der Lernende muss in der Lage sein, die Fragestellung zu analysieren, Hypothesen zu formulieren und zu prüfen. Beherrscht ein Kind diese Eigenschaft, so hat es gelernt, zu lernen.

Intuitives Lernen: Hiermit sind Einfälle gemeint, deren Herkunft man nicht in Worte fassen kann. Der Volksmund nennt solche Einfälle auch „Geistesblitze“. Intuitives Denken ist zurückzuführen auf die Vertrautheit in einem bestimmten Wissensgebiet. Hierdurch ist der Lernende in der Lage, bestimmte Denkschritte zu überspringen, um schneller zu seinem Ziel zu gelangen

Förderung der intrinsischen Motivation: Es wird beim entdeckenden Lernen Neugier gegenüber einem Wissensgebiet erzeugt, indem man nur Bruchstücke bekannt gibt und die Fülle der Informationen von den Kindern entdecken lässt. Diese Neugier wirkt motivierend auf die Kinder, neues Wissen zu erlangen.



Literatur

Bruner, Jerome. S. (1981). Der Akt der Entdeckung. In Neber, H., Entdeckendes Lernen. Beltz.
Edelmann, W. (2000). Lernpsychologie. Kempten: Kösel Verlag, PVU, Beltz Verlag.
Hameyer, Uwe & Schlichting, Frank (Hrsg.) (2002). Entdeckendes Lernen. Kronshagen: Körner.
Klein, Lothar & Vogt, Herbert (2002). Das Abenteuer des entdeckenden Lernens. Kinder lernen am besten auf eigenen Wegen. TPS-Sammelband „Kinder, Lernen, Bildung“, Kallmeyer-Verlag.
https://lexikon.stangl.eu/12075/entdeckendes-lernen/ (16-03-12)
https://www.fh-kiel.de/index.php?id=8797 (16-03-12)