Das Verständnis davon, wie Menschen lernen, hat sich im letzten Jahrhundert dramatisch entwickelt, wobei zahlreiche bereichsspezifische Lerntheorien dazu beigetragen haben, dass man nun einigermaßen weiß, wie Lernen abläuft. Auch die Fortschritte in der Neurowissenschaft waren weitgehend bereichsspezifisch, wobei jede Theorie dazu neigt, ihren Lernmechanismus isoliert von anderen Lernmechanismen zu beschreiben, wobei ein solcher Ansatz jedoch das Verständnis für das Gesamtbild des Lernprozesses einschränken kann, denn kein einzelner Mechanismus oder auch eine Reihe von Prozessen kann das menschliche Lernen in seiner Gesamtheit erklären. Auf neurologischer Ebene ist es zwar von Vorteil zu verstehen, wie verschiedene Bereiche des Gehirns für bestimmte Lernaufgaben spezialisiert sind, aber es geht nicht darum, wie das Gehirn integriert ist, d. h., dass eine Reihe von biologischen Strukturen oder kognitiven Mechanismen für eine bestimmte Art des Lernens verantwortlich sein kann, etwa die Assoziation eines Ergebnisses mit einer Belohnung, aber diese Mechanismen arbeiten oft mit anderen Lernmechanismen zusammen, die parallel dazu ablaufen, etwa die Generalisierung, die erforderlich ist, um zu verstehen, wie ähnliche Verhaltensweisen zur gleichen Belohnung führen können. Einige Lernmechanismen treten seriell auf, andere parallel, und sie stehen wahrscheinlich in Wechselwirkung zueinander, sodass nur ein integratives Modell ein klareres, ganzheitlicheres Bild davon vermitteln kann, wie Menschen tatsächlich lernen.
Dieses allgemeine Lernmodell versucht, ähnlich wie Gagné, sämtliche Formen des Lernens, die etwa im letzten Jahrhundert von der Psychologie entdeckt worden sind, miteinander in Verbindung zu setzen. Gagne hat in seiner Lernzielhierarchie ein Struktur von Teillernzielen entwickelt, die hierarchisch aufeinander aufbauend einen Lernprozess kennzeichnen. So entstand Gagnés Modell der Lernarten aus der Analyse des Phänomens „Lernen“, wobei Gagné bei dieser Analyse, psychologische Erkenntnisse zu Grunde legt. Er kam bei seinen Beobachtungen zu einer Unterscheidung von acht verschiedenen Lernprozessen: 1. Signallernen 2. Reiz-Reaktions-Lernen 3. Lernen motorischer Ketten 4. Lernen sprachlicher Assoziationen 5. Lernen multipler Diskrimination 6. Begriffslernen 7. Regellernen 8. Problemlösen. Diese Lernarten sind hierarchisch organisiert, insofern als jede Kategorie auf der vorhergehenden aufbaut. Gagné sieht dabei den Lernprozes des Problemlösens als den komplexesten an, der die Beherschung aller anderen Lernprozesse voraussetzt. (Stangl, 2022). Im Unterschied zu Gagné werden in diesem Modell etwa auch die Habituation, das Modelllernen, das kognitive Lernen oder das emotionale Lernen integriert. Einen Überblick über die verschiedenen Formen des Lernens finden sich in den Arbeitsblättern Lernen.
Buckley & Anderson (2006) haben vor allem im Zusammenhang mit der Entwicklung neuer Medien und Lernformen ein allgemeines Lernmodell – general learning model – entwickelt, um jede der bereichsspezifischen Theorien in ein metatheoretisches Modell einzubinden. Ein solches allgemeines Lernmodell soll dazu beitragen, neue Hypothesen zu entwickeln, indem es Verbindungen zwischen den Analyseebenen herstellt, die von den domänenspezifischen Theorien beschrieben werden. Das allgemeine Lernmodell umfasst dabei sowohl Kurzzeit- als auch Langzeitmodelle des Lernens, wobei es von der Annahme ausgeht, dass Akteure in einem Umfeld existieren und dass sowohl die Person als auch das Umfeld die Lernmöglichkeit beeinflussen. Zu den Personenfaktoren gehören alle Aspekte der Person zu diesem Zeitpunkt, einschließlich aller früheren Lernvorgänge, genetischer Veranlagung, Persönlichkeitsmerkmale, Überzeugungen und Einstellungen, Stimmung, Geschlecht, kurz- und langfristiger Ziele, Motivation und Aufmerksamkeitsressourcen. Das heißt, in jeder Sekunde sind diese eine Kombination aus unmittelbaren Zuständen, grundierten Konzepten, langfristigen Merkmalen und ihrer biologischen und erlernten Geschichte. Sie können bei jeder Begegnung eine Reihe spezifischer Ziele haben oder auch nicht, und Sie können ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte ihrer Umgebung richten. Zu den Situationsfaktoren gehören alle Informationen und Möglichkeiten, die in der Umgebung zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügbar sind. Dazu gehören die gesamte physische Umgebung, andere potenzielle Akteure in der Umwelt ebenfalls mit ihren aktuellen Zuständen, Eigenschaften und Motivationen, die bisherige Entwicklung der Situation und alle Informationen, die ein Organismus in der Umwelt erkennen kann. Dabei wirken Aspekte der Person und der Umweltsituation zusammen, um den gegenwärtigen inneren Zustand der Person zu beeinflussen, die ab der ersten Sekunde einer Lernbegegnung seriell und parallel ablaufen.
- Einfache Lernformen: Gewöhnung und Diskriminierung
- Klassische und operante Konditionierung
- Beobachtungslernen
- Kognitives Lernen
- Emotionales Lernen
Literatur
Buckley, K. E., & Anderson, C. A. (2006). A theoretical model of the effects and consequences of playing video games (S. 363-378). In P. Vorderer & J. Bryant (Hrsg.), Playing video games – Motives, responses, and consequences. Mahwah, NJ: LEA.
Stangl, W. (2022, 1. Juni). Lernzielhierarchie. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
https:// lexikon.stangl.eu/5447/lernzielhierarchie.